In dieser Rubrik möchte ich, Herbert Prange, Ihnen einige Hinweise geben, die ich als hilfreich und manchmal auch frapierend einfach erfahren habe.
Themen:
- Die Selbstwahrnehmung des Patienten
- Verringerung der Libido
- Meine persönliche Erfahrung
- Selbstgespräche als Mentaltherapie
Die Selbstwahrnehmung des Patienten
Im Gegensatz zu vielen anderen Krankheiten ist Krebs nicht von außen verursacht. Es keine Virusinfektion, keine bakterielle Infektion, kein Bruch und keine Wunde. Es ist der nicht fassbare “Feind” in uns selbst. Wir selbst sind unser eigener Schaden. Der Zerstörer ist unser eigenes Kraftwerk, sind unsere eigenen Zellen. Wie aber können wir Zugang zu unserem kleinsten Baustein, zur Körperzelle bekommen? Das ist die quälende und zermürbende Frage für viele Krebspatienten. Der Krebspatient ist in einem ständigen Alarmzustand. Die Empfindsamkeit für jegliche körperliche Störung steigt enorm. Es gibt Patienten, die kleinste körperliche Beeinträchtigungen in Beziehung zur Krebserkrankung setzen.
Eine vielleicht harmlose Erkältung wird damit zu einem enormen Stressfaktor. Kleinste Veränderungen in der Verdauung oder im Bewegungsapparat rücken in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Krebspatient empfindet seinen Körper mehr und mehr als ein demoliertes Etwas. Er beginnt, sich mehr und mehr als wertlos, kraftlos und abstoßend zu empfinden.
Für die Angehörigen ist diese Phase äußerst anstrengend. Sie bemühen sich, die Störungen als normal und weniger bedeutsam darzustellen. Dadurch hat der Krebspatient wiederum das Gefühl, nicht ernst genommen und nicht verstanden zu werden. Er isoliert sich und wird mehr und mehr stiller.
Dieses In-Sich-Zurück-Ziehen demoralisiert viele Patienten. Sie beginnen, sich zu bemitleiden und erwarten auch von ihrem Umfeld sehr viel Mitgefühl. Die Selbstheilungskräfte werden weiter herabgesetzt.
Verringerung der Libido
Einer der ersten Auswirkungen der Diagnose Krebs ist bei vielen Patienten eine schlagartig reduzierte Libido. Das Lustempfinden, das Verlangen nach Nähe und Zärtlichkeit, sich hinzugeben und sich fallen zu lassen sind stark reduziert. Erklärbar ist dies durch die sprunghaft ansteigenden Aktivitäten der Amygdala, die für die Produktion von Angst zuständig ist. Wenn wir uns bedroht fühlen und uns im Kampf- oder Fluchtprogramm befinden – was bei Krebs ja faktisch der Fall ist, will der Körper sich keine Gedanken über Lust und Fortpflanzung machen. Zärtlichkeit, Nähe und Begehrtwerden sind jedoch für das Selbstwertgefühl und eine gesunde Selbststeuerung von grundsätzlicher Bedeutung.
Aber oftmals ziehen sich Partner und andere Famlienangehörige ebenfalls zurück. Auslöser kann der Körpergeruch während der Chemotherapie sein oder auch die unbewußte Distanzierung von einem schwachen Menschen. Dadurch werden das Selbstwertgefühl und die Selbstwertschätzung ebenfalls verringert. Die Krebsdiagnose und die foglende Therapie bewirken fast zwangsläufig depressive Verstimmungen. Wie sollen der Krebskranke und der Partner damit umgehen?
Der Kreislauf der mentalen Selbstzerstörung kann aber durchbrochen werden. Dieser mentale Weg muss jedoch von dem Patienten angestrebt und für möglich gehalten werden. Wir können durch unsere Gedanken unsere Emotionen lenken.
Der erste Schritt ist, die Bedrohung zu minimieren, sie eher als eine Normalität anzusehen. Machen Sie aus der Schlange einen Wurm. Machen Sie die Krebsdiagnose zu einem Befund, der mit einer Lungenentzündung, einem komplizierten Bruch oder einem Bandscheibenvorfall vergleichbar ist. Autosuggestion kann eine enorme Wirkung haben. Kann – muss aber nicht! Auch diese Fähigkeit muss in vielen Fällen trainiert werden.
Meine persönliche Erfahrung
Im Nachhinein muss ich sagen, dass mich die Diagnose Krebs in eine Art Nebelwelt versetzt hat, in eine merkwürdige Trance. Ich habe meinen Darmkrebs, der sich im fortgeschritten Stadium befand, zunächst als Herausforderung angesehen. Ich habe meine Arbeitstätigkeit (Vorträge halten) nicht abgebrochen, sondern fortgesetzt und allein dadurch die Diagnose bagatellisiert. Immer wieder habe ich mir vorgestellt, wie der Krebs immer kleiner wurde. Ich habe aus dem Tiger die Katze gemacht, aus dem Messer eine Feder. Und ich habe mir immer einen wilden Bachvorgestellt, der mir gesundes Wasser bringt und die schädlichen Stoffe abtransportiert. Das Quellwasser habe ich in einem frischen Blaugrün gesehen, das Abwasser eher trüb und gräulich. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, dass ich Krebszellen ausgeschieden habe. Das war vielleicht Einbildung. Aber mein Gefühl war gut. Ich hatte damit die Regie in der Hand, fühlte mich nicht ausgeliefert und wertlos.
Im Gegenteil: Durch meine Imaginationen fühlte ich mich auf merkwürdige Weise stark. Dadurch habe ich die manchmal herankriechende Angst im Zaume gehalten. Insgesamt hatte ich selten starke Angstzustände, auch nicht während der extrem schmerzhaften Bestrahlungsphase und der präoperativen Chemotherapie.
Selbstgespräche als Mentaltherapie
Eine für mich enorm wirksame Methode der Selbstbeeinflussung sind Selbstgespräche. Mit Selbstgesprächen können wir in äußerst subtiler Weise auf unsere körperlichen und geistigen Aktivitäten Einfluss nehmen. Und das Schöne daran. Seit dem Handyboom können wir bedenkenlos überall Selbstgespräche führen. Und positive Selbstgespräche kann jeder Mensch trainieren.
Häufig sind unsere Selbstgespräche jedoch blockierend und mit Befürchtungen durchsetzt. Sie schwächen uns und lenken unsere Aufmerksamkeit auf Probleme und Schwierigkeiten.
Selbstgespräche mobilisieren jedoch enorm und fördern die Energie, wenn sie voller Zuversicht, positiv und zukunftsorientiert sind. Besonders machtvoll sind innere Dialoge, in denen wir uns mit Läsungen und nicht mit Problemen beschäftigen.
Es geht dabei nicht darum, unrealistische und überzogene Situationen zu formulieren. Die Selbstgespräche beziehen sich auf zukünftige Zustände, in denen wir die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten nutzen und zeigen können.
Selbstgespräche funktionieren am besten, wenn sie wie ein Frage-Antwort-Spiel geführt werden. In einigen Untersuchungen wurde festgestellt, dass Menschen, die im positiven Dialog mit sich selbst stehen, ihre Entscheidungen besser treffen und auch umsetzen können.
Spitzensportler führen vor dem Wettkampf mobilisierende, kraftaufbauende, das Selbstvertrauen stärkende Selbstgespräche. Das können wir im Umgang mit schweren Krankheiten eins zu eins übernehmen.
Jeder Mensch führt in irgendeiner Weise Selbstgespräche. Beim Einkaufen, bei der Autofahrt, überall. Achten Sie einmal darauf, ob sie damit mehr Freude oder mehr schlechte Laune bekommen. Üben Sie Selbstgespräche mit einer Portion Optimismus und vielleicht auch Selbstironie. Sie haben mehr Spaß im Leben und fördern zudem noch Ihr Immunsystem.
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